Die Sicht eines Physikers auf den Glauben an Verschwörungstheorien

Eine Wissenschaftlerin sagt im "Tagesspiegel", dass der Hang, an Verschwörungstheorien zu glauben, mit dem Bedürfnis nach Einzigartigkeit zusammenhängt. Doch haben wir nicht alle bis zu einem gewissen Grad das Bedürfnis, einzigartig zu sein? Das ist mitnichten ein Alleinstellungsmerkmal bestimmter Personengruppen. Abgesehen davon ist die Aussage aus dem Kontext gerissen. Bezieht sie sich auf echte "Verschwörungstheorien" oder nur Sachverhalte, die so bezeichnet werden, um die Aufmerksamkeit der Menschen davon wegzulenken? Natürlich sieht so mancher Mensch - wahrscheinlich sogar alle Menschen - zumindest einmal im Leben zufällige Zusammenhänge als Muster an. Dieser Drang - nennen wir in Forschergeist - ist jedoch nicht gefährlich. Auch die Forschung an Verschwörungstheorien entspringt genau diesem Drang zur Suche nach Antworten für Fehlentwicklungen. Diese Suche läuft über das Auffinden von Mustern, über eine Differenzierung und nachfolgende Integration, die das differenziert betrachtete Problem vereinfacht darstellt, um es greifbarer zu machen. Unter diesem Blickwinkel ist die Suche nach Mustern hinter dem Glauben an vermeintliche Verschwörungstheorien nichts anderes als eine weitere Verschwörungstheorie, die annimmt, dass sich eine Gruppe gegen die Mächtigen verschworen hätte, um sie mit angeblichen Lügen der Macht zu berauben.

Die vom "Tagesspiegel" Interviewte hat recht, wenn man annimmt, dass sie von tatsächlichen Verschwörungstheorien spricht, die auch wirklich nichts mit der Realität zu tun haben, die tatsächlich nicht durch Indizien oder Fakten untermauert sind. Doch um solche Theorien geht es gar nicht. Deshalb ist klipp und klar, dass Desinformation betrieben wird, wenn Teile der Medien und Politik von "gefährlichen Verschwörungstheorien" reden und diesen Begriff auf Menschen anwenden, die schlicht und ergreifend nur Fakten präsentieren. Wenn sie jemanden, der eine allgemeine Maskenpflicht zurückweist, schon als "krude" oder eben "Verschwörungstheoretiker" bezeichnen. Oder gar als "falschen Experten". Was ist denn das anderes als Desinformation, die vom eigentlichen Thema ablenkt? Desinformation, die zu Vorurteilen führt, zu Ausgrenzung, zu unsachlichen und beleidigenden Attacken auf Menschen, die nicht bei allen Themen blind der Mehrheit hinterherlaufen. Für diesen Text reicht ein Beispiel: es wird offen über eine COVID-19-Impfpflicht diskutiert und im gleichen Atemzug werden alle, die dieser Impfpflicht kritisch gegenüberstehen, als "Verschwörungstheoretiker" oder "Impfgegner" attackiert. Alleine das zeigt die Absurdität solcher Debatten. Weder sind alle, die eine derartige Impfpflicht kritisieren, "Impfgegner" - es gibt nämlich wirksamere und weniger wirksame Impfungen -, noch sind sie "Verschwörungstheoretiker", wenn klar ersichtlich ist, dass die Thematik öffentlich diskutiert wird.

Wenn via Medien - in diesem Fall via FAZ - fast schon gedroht wird, dass die Situation nie wieder "normal" wird, dann möchte ich wissen, warum Stimmen, die diese vermaledeite "neue Normalität" kritisieren, allesamt "Verschwörungstheoretiker" oder "Wutbürger" sein sollen? Kann mir das bitte jemand schlüssig erklären oder muss ich bis an mein Lebensende auf eine Erklärung warten, die sowieso niemals kommt, weil es ganz einfach keinen Sinn ergibt?

Zurück zum angeblichen "Boom" von Verschwörungstheorien. Dieser verlautbarte "Boom" war schon immer da, der ist nicht erst durch COVID-19 aus einer erzwungenen Quarantäne gescheucht wurden. Dafür muss man sich nur die Klickzahlen diverser "verschwörungstheoretischer" Portale anschauen. Die hatten vor Corona schon eine große Reichweite. Gestiegene Abozahlen oder Klickzahlen haben nur eine bedingte Aussagekraft über einen "Boom", der dank Krise "plötzlich" ausgebrochen sein soll. Aber geschenkt.

Kommen wir zu einem weiteren Aspekt, der im Interview angesprochen wird. "50 Prozent der Deutschen vertrauen lieber ihren Gefühlen als Experten". Das wird pauschal als "besorgniserregend" bezeichnet. Wurde in dieser Studie abgefragt, an welche Experten die Befragten bei der Beantwortung dachten? Oder an welche Situationen? Als erfahrener Beantworter derartiger Meinungsstudien vermute ich, dass dem nicht so ist, aber ich werde mir die Studien näher anschauen, um die Pläne einer quantitativen, analytischen Untersuchung der "Gefährlichkeit von Verschwörungstheorien" auszuführen.

In dem Interview werden "Verschwörungsnarrative" angesprochen. Dabei ging es um die Annahmen, das Virus wäre nicht gefährlich, es würde nicht existieren oder es werde für politische Zwecke ausgenutzt. Ich halte es analytisch betrachtet für unsauber, wie dabei Dinge vermischt werden, die nicht unbedingt zusammengehören. Das verunreinigt die Daten und macht die Forschung an diesem Thema zu einer pseudowissenschaftlichen Hirnwichserei. Das Virus wird ja sogar von Experten als nicht so gefährlich wie medial dargestellt beschrieben. Wo ist da die Verschwörungstheorie? Da ich im erweiterten Umfeld Menschen kenne, die positiv auf das Virus getestet wurden, halte ich mich aus der Debatte über die Existenz des Virus heraus. Da machen andere bessere Arbeit. Nicht nur Virologen oder Mediziner. Wenn es eine reine Verschwörungstheorie ist, dass die Situation von der Politik ausgenutzt wird, dann haben auch "seriöse" Medien und Teile der Politik "Verschwörungstheorien" in die Welt gesetzt. Ich kann mich nämlich erinnern, dass dem russischen Präsidenten oder dem ungarischen Ministerpräsidenten genau das vorgeworfen wurde. Wie absurd ist es dann bitte, das als verschwörungstheoretische Annahme zu bezeichnen? Oder werden hier etwa "unsere" Medien und Politiker als Verschwörungstheoretiker entlarvt? Genau mein Humor. Die Biowaffen-Theorie ging übrigens nicht von "Verschwörungstheoretikern" aus. Die vertrat sogar ein namhafter Virologe und Nobelpreisträger, Luc Antoine Montagnier, der auch als Entdecker des AIDS-Virus gilt, hier im französischen Original.

Es wird weiters kritisiert, dass manche Verschwörungstheoretiker an sich logisch ausschließende Theorien glauben. Wow, unglaublicher Skandal. Das zeigt nur, dass jemand offen für zwei oder mehrere Möglichkeiten ist, weil er es einfach nicht besser weiß. Das nennt man in gewissen Kreisen eine wissenschaftliche Herangehensweise. Die scheint manchen jedoch fremd zu sein. Skepsis gegenüber als mächtig wahrgenommenen Personen als gefährlich darzustellen, ist auch ziemlich billig. Muss das denn schlecht sein?

Auch interessant ist der Vorwurf, dass man sich als einzigartig wahrnehmen würde, wenn man nicht blind der Regierung hinterherläuft. Seit wann ist es denn bitte kritikwürdig, wenn erwachsene Menschen in einem vernünftigen, nicht paranoiden Rahmen die eigene Regierung kritisieren? Oh Mann, leben wir etwa in einer Demokratur, in der blinde Regierungshörigkeit das erstrebenswerteste Ziel ist und jeder, der vom Mehrheitskonsens abweicht, ein gefährlicher Verschwörungstheoretiker ist? Könnte man so annehmen, wenn man die Mainstream-Texte über Verschwörungen liest.

Ich möchte gerne wissen, wer behauptet hat, dass das Virus eine jüdische Verschwörung sei? Natürlich gibt es ein paar Irre, die tatsächlich krude Ideen haben. Aber wer soll das gesagt haben? Und was sind die Alternativen außerhalb des politischen Spektrums, denen sich Verschwörungsgläubige zuwenden?

Gefährdung durch Nicht-Impfen kommt als Klassiker daher, um die Gefahr von Verschwörungstheorien zu "beweisen". Dafür habe ich eine Rechenaufgabe: wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein nicht geimpfter Mensch jemandem begegnet, der nicht geimpft werden kann? Und wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit für Impfschäden? Welche Wahrscheinlichkeit ist höher? Drei Mal dürfen Sie raten, mein lieber "Tagesspiegel". Soviel dazu.

Wobei ich der Interviewten zustimme ist, dass es mehr Transparenz braucht. Allerdings wurde davon schon öfter geredet und ich bekomme davon trotzdem nichts mit. Dass Dinge wie Rassismus, Antisemitismus oder Sexismus keinen Platz in unserer Gesellschaft haben sollten, ist ebenso selbstverständlich, und in Hinblick auf die eigentlichen Thematiken eine Nullaussage. Vor allem ist nicht alles, was als antisemitisch, sexistisch oder rassistisch dargestellt wird, auch wirklich derart zu verorten. Umgekehrt wird vieles, das tatsächlich diesen Zuschreibungen entspricht, nicht mal im Ansatz kritisch hinterfragt. Aber wiederum geschenkt.

P.S.: Der Begriff "Verschwörungstheorie" wird viel zu oft gezielt zur Diffamierung von kritisch denkenden Menschen verwendet. Vielmehr müsste von einer "Verschwörungspraxis" und von "Verschwörungspraktikern" gesprochen werden. Dass es in der Menschheitsgeschichte, besonders in den Kreisen der Macht und Elite, immer wieder Verschwörungen gegeben hat und gibt, ist eine zigtausendfach belegte Tatsache. Mobbing in der Schule, an der Uni, am Arbeitsplatz, im Sportverein usw. ist ja auch nichts anderes als eine Verschwörung vieler gegen einen oder eine Minderheit. Alles, was hinter verschlossenen Türen oder in Geheimkabinetten zur Durchsetzung bestimmter Interessen oder Erreichung bestimmter Ziele ausgebrütet wird, ist Verschwörung. Ein Wissenschaftler ist nur dann seriös, wenn er die Möglichkeit von Verschwörungen in Betracht zieht, und nicht, wenn er sie von vornherein als Spinnerei abtut. Denn wenn er sie als solche abtut, ist er entweder naiv und/oder dumm, oder er ist aus irgendwelchen Interessen an einer Verschwörung beteiligt.

P.P.S.: Sogenannte "Verschwörungstheorien" pauschal ins Lächerliche zu ziehen, ist nicht der richtige Weg. Pauschal von einer zumeist nur diffusen Gefahr zu sprechen ist auch nicht der richtige Weg und trieft vor Doppelmoral. Die mächtige Seite wirft der nicht mächtigen Seite vor, dass sie als gefährlich oder verschwörerisch wahrgenommen wird. Gleichzeitig nehmen die Mächtigen die Gegenöffentlichkeit pauschal als Gefahr oder verschwörerisch wahr. Geht da manchen ein Licht auf? 

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