Der Steinbock und die Bananenschale

Es war einmal ein Wanderer, der erreichte voller Freude den Gipfel eines wunderschönen, felsigen Berges. Nach dem anstrengenden Aufstieg benötigte er Energie, die er sich wie so oft bei Wanderungen in Form einer Banane einflößen wollte. Während er den Vitamin-haltigen Snack aus dem Rucksack holte, fiel ihm auf, dass ein Steinbock mit großem Interesse beobachtete, was vor sich ging. Das Tier war wohl mutig, weil außer dem Wanderer niemand den Gipfel okkupierte.

Die Banane in der Hand, fing der etwa vierzig Jahre junge Mann an, das Stück Obst zu schälen. Er hatte zwar gehört, dass die Schale durchaus essbar war und wertvolle Inhaltsstoffe enthielt, doch er musste nicht alles ausprobieren, was der Bevölkerung ans Herz gelegt wurde.

Schließlich tat er seinen ersten Bissen und mit jedem abgebissenen Stück entschälte er das krumme, gelbe Ding ein kleines bisschen weiter. Endlich war er am Ende der Bananenstange angelangt und überlegte kurz, die Schale in seinen Rucksack zu packen. Doch dann dachte er, dass Bananenschalen Biomüll waren. Also konnte er sie doch wohl in der Natur entsorgen. Gedacht getan warf er die bananigen Überreste ziemlich achtlos den steinigen Abhang hinunter.

Der Steinbock schien einen bösen Blick aufgesetzt zu haben, der mit Vehemenz auf den Wanderer gerichtet war. Die ganze Zeit während des Bananen-Snacks hatte das Tier aufmerksam und skeptisch beobachtet, was vor sich ging. Kaum dass die Überreste der Bananenschale begannen, durch die Luft zu fliegen, erschien dieser aggressive, kritische Blick auf dem Gesicht des begabten Kletterers. Die Augen folgten der Luftbahn der Schale und blieben in Form verengter Schlitze auf ihr hängen, als sie etwa zwanzig Meter unterhalb des Gipfels auf dem Boden landete. Würde das Tier die Schale essen? Oder war es gar verärgert über die dreiste Umweltverschmutzung des Wanderers? Letzteres konnte durchaus wahr sein, wenn man den ungewöhnlich menschlich anmutenden Blick des Tieres zu deuten versuchte.

Der Wanderer beschloss, dass ihm das Verhalten des Steinbocks egal war, und machte sich an den Abstieg. Man sah ihn für längere Zeit nicht mehr wieder - zumindest nicht auf diesem Gipfel.

Der Steinbock allerdings blieb in seiner Heimat und fing an, seelenruhig zu grasen. Frisches Berggras, das war eine Wohltat. Als die Dunkelheit sich herabzusenken begann, machte der kapitale Bock sich auf zu seinem Schlafplatz. Ein anderer Steinbock, der beste Freund des bald schlafenden Bocks, war noch auf dem Gipfel und wollte sich auch an den Abstieg zu den Steinbock'schen Schlafplätzen machen. Überraschenderweise war ihm dabei ein kleines, gelbes Hindernis im Weg. Es war die Bananschale des menschlichen Wanderers, die immer noch unberührt an ihrem Platz auf einem Felsvorsprung lag. Der Bock rechnete nicht mit Problemen auf seinem Weg zum tierischen Bett. Diese Sorglosigkeit wurde bestraft. Er trat direkt auf die Obstrückstände und - wie konnte es anders sein - rutschte darauf aus. Diese unverhoffte Rutschpartie kostete ihn das wunderschöne, privilegierte, naturnahe Bergleben.

Und die Moral von der Geschicht: eine Bananenschale auf dem Berg man besser wergwirft nicht.      

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